23. Kapitel
Der Matrose taumelte aus dem Wirtshaus und verschwand wankend in einer der zahlreichen kleinen Gassen und Gässchen, die das Hafenviertel durchzogen. Fluchend machte er sich auf den Rückweg zur Bonny Beauty.
Er hatte sich eigentlich eine Frau suchen wollen, bevor er zu seinem Schiff zurückkehrte, aber die verdammten Huren waren alle schon vergeben gewesen! Ein verfluchtes Pech.
Das Geräusch von Schritten ließ ihn innehalten. Mit verengten Augen spähte er in den Nebel, der so oft über dem Themseufer lag. Er konnte zwar nicht viel sehen, aber er war fast sicher, dass es die Schritte einer Frau waren.
Vielleicht hatte er ja heute Nacht doch noch Glück! Ein zahnloses Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
»He, Schätzchen, wie wär's mit 'ner Nummer? Ich hab die Münzen dafür, keine Sorge!«, rief er ihr entgegen. Und gut sah sie auch noch aus! Lange, schwarze Haare und ein Paar hübscher Titten.
Die Frau sagte nichts, kam aber weiter auf ihn zu, was der Matrose als gutes Zeichen auffasste. Er würde jetzt zwar kein Zimmer mehr bekommen, aber sie könnten sich ja eine nette kleine, abgeschiedene Gasse suchen, wenn sie nichts dagegen hatte.
»Also, was sagst du, Schätzchen?«, fragte er sie, als sie nur noch wenige Meter von ihm entfernt war.
»Ich sage, hoffentlich schmeckst du besser, als du aussiehst«, bemerkte sie naserümpfend. Der Matrose stutzte. Was meinte sie damit? Sein wattiges Hirn konnte keinen Sinn in ihren Worten finden.
»Hat dir denn niemand beigebracht, dass man nicht mit dem Essen spielt?«, ertönte eine männliche Stimme hinter dem Rücken des Matrosen.
Der Seemann fuhr erschrocken herum. Wie hatte sich der Kerl so schnell und so lautlos an ihn ranschleichen können?
»Müssen wir ihn wirklich zum Haus bringen? Können wir ihn nicht gleich hier töten und für uns behalten?«, beschwerte sich die Frau hinter ihm.
Der Matrose erschrak. Sein benebeltes Hirn lichtete sich ein wenig. Genug, um das Schrillen seiner inneren Alarmglocken zu hören.
»Hör zu, Schätzchen, ich wollte dich nicht beleidigen«, versicherte er und griff gleichzeitig in seinen Stiefel, wo sein Dolch steckte.
Der Mann zog ein gelangweiltes Gesicht. Kein gutes Zeichen, dachte der Matrose. Ob die beiden bewaffnet waren?
»Du weißt, dass wir vorsichtig sein müssen. Die Clanführer dürfen noch nichts merken«, sagte der Mann.
Der Matrose riss seinen Dolch heraus und richtete ihn drohend auf den Mann. Er hatte sich zur Seite gewandt, um beide, den Mann und die Frau im Auge behalten zu können. »Ich schlachte euch ab wie zwei Schweine, wenn ihr mich nicht in Ruhe lasst!«, brüllte er. Panisch blickte er sich nach dem Wirtshaus um, das er verlassen hatte. Verdammte Erbsensuppe, er konnte nichts sehen!
»Da irrst du dich, Schätzchen«, gurrte die Frau. Lächelnd kam sie näher. Etwas stimmte nicht mit ihrem Lächeln - ihre Schneidezähne, sie waren irgendwie zu lang... »Nicht wir werden geschlachtet, sondern du.«
Der Matrose wich erschrocken zurück. Sekunden später erklang ein schriller Schrei, dann wurde es wieder still.